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Der Preis der Umstellung / Der Preis des Luxus

17/4/2016

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Veganismus und die Fähigkeit Kochen zu können, gehen häufig Hand in Hand; denn in unserer westlichen Kultur sind wir darauf programmiert, auch mit wenig Expertise ein Stück Fleisch braten zu können. Zusammen mit dem Wissen, wie man Pasta mehr oder weniger „al dente“ kochen und mit Pesto anreichern kann, kommen selbst die kulinarisch Unbegabten zu einem akzeptablen Menü.

Vegetarismus oder Veganismus ist demgegenüber schwieriger und komplizierter, da es die Hauptzutat aus unserem überlieferten Basiswissen wegstreicht: das Fleisch. Dadurch bleiben nur noch Teigwaren und „Beigemüse“ – die ebenfalls institutionalisierte Idee vom Gemüse als Beilage – übrig. Nimmt man dem Menschen nun noch den Reibkäse oder die Eier aus den Teigwaren – Veganismus sei Dank - , dann erhält man ein spärliches oder gar inexistentes Menü.

Es sei denn, man löst sich von diesen Bräuchen und Ideen, und versucht stattdessen etwas Neues, Differenzierteres zu kreieren. Wenn man das angebliche Grundelement des Menüs weglässt oder einfach durch einen fleischlosen Bratling etc. ersetzt, dann wird man wohl enttäuscht sein und das Gefühl haben, einen Kompromiss einzugehen. Wenn man's jedoch besser macht, bietet Veganismus eine enorme Chance neue Sachen auszuprobieren und ein durchdachteres Menü mit harmonierenderen Zutaten zu erschaffen – denn er kann ein kraftvoller Katalysator sein (sofern man nicht frühzeitig aufgibt). Schliesslich mag sich niemand mit einem Kompromiss zufrieden geben, weshalb man notgedrungen eine Änderung anstrebt und in diese schöne neue Welt eintritt. Allerdings bedarf diese kulinarische Reise einiger Zeit, intrinsischer Motivation - und eben auch einer Spur kulinarischen Talents.

Leider findet diese Umstellung auch in den Küchen ausserhalb der vier eigenen Wände viel zu langsam oder kaum statt: In zahlreichen Restaurants sind die Mehrheit der angebotenen Speisen immer noch fleischlicher Natur und die vegetarischen Menüs häufig eine Art kulinarisches Downgrade für bemitleidenswerte Aussenseiter, während es vegane Alternativen ausserhalb urbaner Zentren noch so gut wie gar nicht gibt.
Das nennt sich dann wohl der Preis der Umstellung.


Es gibt aber auch Hoffnung: Viele aufgeschlossene, „zeitgenössische“ Restaurants scheinen interessiert, diesen Wandel mitzumachen (zu einem gewissen Teil zwar vielleicht eher aus ökonomischen Gründen; aber man soll sich ja nicht beschweren). Und besonders bei deutlich gekennzeichneten veganen Menüs kann man meistens davon ausgehen, dass sich der Koch oder die Köchin irgendwas Ausgereiftes dabei überlegt hat, und es sich dabei nicht um den Ausbund von absoluter Reduktion handelt. Von da her kann man sicherlich mit einer Portion Optimismus und einer Prise Neugier in die Zukunft blicken.

(Zur Relativierung: Natürlich steckt in jedem von einem Koch, einer Köchin zubereiteten Menü – auch jenen mit tierischen Produkten – eine Überlegung dahinter; weder das eine noch das andere ist geschmacklich per se überlegen. Nur ist das eine einfach ethisch und ökologisch richtungsweisender. Basta. ;-))


Einzig allein in der Landschaft der Gourmet- und Sterneküche sträubt man sich vehement gegen diese Umstellung. Ganz viele der „exquisiten“ Inhalte auf der Zutatenliste beinhalten ausserdem unnötiges Leid – und damit meine ich nicht nur allgemein die Tötung von Tieren für unsere Gaumenfreude, sondern zusätzliche Qualen in der Haltung oder Zubereitung, die eigentlich verboten werden müssten.

Einige dieser Bräuche sind gemeinhin bekannt wie beispielsweise das Kochen lebendiger Hummer (was übrigens erwiesenermassen nicht besser schmeckt; aber das solle mal jemand der Hummerbar Zürich sagen, die immer noch bewusst auf diese "Tradition" setzt [Nein, im Ernst: Geht auf ihre Facebook-Seite und schreibt, was ihr davon haltet.]), die japanische Sashimi-Variante Ikizukuri (lest am besten selber mal nach, welchen Mist sich Japan dabei ausgedacht hat) oder die Gänsestopfleber (auch bekannt als Foie Gras), bei welcher vier Monate alte Gänse fast einen Monat lang viermal am Tag mittels eines Rohrs zwangsernährt werden, so dass sie knapp halbjährig (und somit kurz vor ihrem Tod) vier- bis siebenmal mehr wiegen als ihr natürliches Gewicht.

Andere sind weniger bekannt, aber nicht minder grausam, und machen auch von vegetarischen Produkten nicht halt. Büffelmozzarella gilt ebenfalls als Luxusprodukt, obwohl man es auch in den Regalen von Coop und Migros findet. Dass bei der Herstellung jedoch massenhaft junge Wasserbüffel ausgesetzt werden, um qualvoll zu verhungern, wird dem Kunden vorenthalten. In Süditalien, wo die Mehrheit des Mozzarellas herkommt, gehört dies nämlich zum üblichen Brauch, da die männlichen Büffelkälber keine Milch geben und ihr Fleisch zu penetrant schmeckt. Da nicht nur der Konsument, sondern auch der Produzent möglichst billig einkaufen resp. herstellen möchte, wählt man die günstigste Variante, die in jenem Fall auf Kosten der Tiere geht. So werden die erst ein paar Tage alten Kälber nicht durchgefüttert, sondern entweder in Gülle ertränkt (die legale „Entsorgung“ im Schlachthof kostete bis vor kurzem noch zu viel Geld, wird aber jetzt glücklicherweise mit Prämien belohnt – auch hier also ein Hoffnungsschimmer) oder eben zum Verhungern irgendwo weggeschickt oder eingesperrt – manchmal sogar mit zugebundenem Mund, damit niemand das Schreien der Tiere hören könnte.
In diesem Licht wirkt sogar die Tötung männlicher Küken durch Vergasen oder Zerschreddern – ein in der Schweiz üblicher Brauch in der Geflügelproduktion – „human“, obwohl es natürlich so etwas wie humanes Töten im Grunde genommen gar nicht gibt.

Dennoch bleibt die Frage im Raum stehen, wieso die Spitzenküche mit so viel Leid angereichert werden muss. Ein Grund mag sein, dass die reiche Klientel, die solche Restaurants besucht, wohl durchaus aus einem bildungsnahen Milieu stammen mag, aber diese Tatsache beileibe keine Bildung voraussetzt oder zu tatsächlicher Bildung führt – zumindest nicht was das Leben ausserhalb oder hinter dieser Luxuswelt anbelangt. Hauptsache exklusiv und dekadent muss es sein; koste es, was es wolle.

So gesehen wären Spitzenköche eher eine Art Spielball der Reichen – was natürlich weder komplett zutreffend ist, noch als Entschuldigung ihrerseits verwendet werden darf; denn dafür sind die Köche zu interessiert und begeistert von ihrer Tätigkeit. Christian Seiler, der regelmässig eine Food-Kolumne für „Das Magazin“ schreibt, schwärmte letztes Jahr vom Gault-Millau-ausgezeichneten Eckart Witzigmann und seiner Kochtruppe im Münchner „Tantris“ vom „Kartoffel-Lauch-Püree auf brauner Butter mit Kaviar“, „Krustentiere und Jakobsmuscheln“ sowie „Gänseleber“ und „Filets vom Reh“. Auch wenn sicherlich nicht jeder Gang dieses üppigen Menüs gleichermassen unethisch ist, so sei doch die Frage erlaubt, wo die kritischen Gedanken bezüglich der Herkunft oder Zubereitung der Lebensmittel respektive der Lebewesen geblieben sind.

Selbst wenn die (gehobene) Gastronomie hin und wieder durchlässig für ökologisch oder ethisch - zumindest einigermassen - sinnvolle Konzepte (bspw. Nose to Tail) ist, so müssen deren Köche, Kritiker und Kunden endlich eine Lanze für den Verzicht auf unethische Produkte und somit mehr Tierrechte brechen. Denn die Spitzengastronomie übt auf die aufstrebenden Köche eine Vorbildfunktion aus – ähnlich wie die Modelabels, die es mittlerweile immerhin teilweise geschafft haben, sich gegen Pelz oder magersüchtige Models auszusprechen.
Andererseits sind es gerade jene Jungköche, die inspirierend auf die etablierten Kochmächte wirken und einen „kulinarischen Paradigmenwechsel“ einläuten könnten – damit der Preis des Luxus (i.e. das Leid der Tiere) reduziert und die Notwendigkeit und Omnipräsenz der tierischen Produkte in der Küche hinterfragt werden könnte.

(Auch hier noch eine kleine Ergänzung: Neben der Prämien-Einführung im sizilianischen Mozzarella-Gewerbe gibt es sogar noch einen zweiten Silberstreifen am Horizont der Luxuswelt: Kaviar, der Inbegriff der kulinarischen Dekadenz, kann seit knapp zwei Jahren ohne das Töten der Störe gewonnen werden.)

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    Lebenskünstler, Philosoph, Hobbykoch, Balkongärtner, Freelanceaktivist, Lehrer, Katzen- und Tierfreund, Spirituosenliebhaber, Melancholiker, Musiker, Gesellschaftskritiker, Mensch, Lebewesen, Materie. Oder so.

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