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Dahinter blicken

19/6/2016

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Es lohnt sich grundsätzlich immer, einen Sachverhalt vertieft zu betrachten; denn dieser Blick in die Tiefe offenbart häufig, was an der Oberfläche nur marginal ersichtlich ist, was ein flüchtiger Blick (am Abend) nicht gewährleisten kann.

Am offensichtlichsten ist dies natürlich im Bereich der Kunst, welche davon lebt, dass man hinter das Kunstwerk zu schauen versucht und das Gemälde, die Installation etc. nur als horizontale Spitze des Eisbergs betrachtet. Manchmal ist dies freilich nicht umsetzbar, beispielsweise weil der oder die KünstlerIn nicht anwesend ist oder weil zuviel Kunst in einem oder eher mehreren Räumen ausgestellt wird. Das ist unter anderem eines der Probleme, mit welchem gigantische Anlässe wie die Art Basel, die in den letzten Tagen mal wieder über die Bühne gegangen ist, zu kämpfen haben.

In solchen Fällen kann man jedoch auch auf die Metaebene ausweichen (aber Vorsicht: je höher man steigt, desto grösser zwar der horizontale Überblick und die vertikale Tiefe, desto höher aber auch die Gefahr [metaphorisch] abzuheben und abzustürzen) und sich mit Fragen hinsichtlich des Events als Ganzes und weniger mit der Kunst selbst zu beschäftigen: Wer sind diese Leute, die in Scharen Ausstellungen wie die Art, die Liste, Volta12 und Co. besuchen? Was sind deren Erwartungen? Geht es bei einigen Galeristen und Besuchern wirklich noch um Kunst oder eher um ein lukratives Geschäft und darum, sich zu etablieren und gesehen zu werden – notfalls auch auf Kosten der Qualität der ausgestellten Kunst? Und handelt es sich bei der Tatsache, dass der Eingang der Scope in diesem Jahr mitten im Rotlichtmilieu Basels angesiedelt ist, um eine konzept-künstlerische Überlegung, um Reich und Arm auf provokative Weise gegenüberzustellen? Oder zeigt dies lediglich die Dekadenz des Kunstbetriebs und dessen Rücksichtslosigkeit dem ebenso alten Gewerbe gegenüber? Oder steckt dahinter womöglich sogar ökonomisches Kalkül und das Nutzen von "Synergien"?  Diese Fragen (und Antworten) führen uns automatisch auch wieder zu der Ausgangsfrage, was denn Kunst überhaupt sei.

Das Erreichen derselben Tiefe (ich weiss, Antworten bin ich meinen LeserInnen nun bezüglich des Kunstexkurses schuldig geblieben) wäre auch erstrebenswert, wenn es um andere Themen geht, beispielsweise um die Geschehnisse in Orlando. Damit ist allerdings nicht gemeint, tiefer in die Privatsphäre der Opfer zu dringen und in klassisch amerikanischer Manier auf die Tränendrüse zu drücken. Auch nicht gemeint ist damit, dass wir uns mit dem Begriff der Tat (Attentat vs. Terrorakt vs. Hate Crime etc. pp.) vertieft auseinandersetzen sollten. Natürlich ist es zulässig, darüber zu diskutieren, ob der Täter nun Muslim war (ja, aber das macht ihn nicht zum Stellvertreter aller Muslime) oder ob es sich dabei doch eher um eine areligiöse Tat handelte (nein, denn der Einfluss des Islams – oder einer anderen beliebigen Religion – ist nicht ganz wegzudenken); ob es sich dabei um einen amerikanischen Staatsbürger handelte (ja, und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern auch was den Besitz von Waffen anbelangt) oder zu mutmassen, ob der Täter gar selbst ein verkappter Homosexueller war (who knows, who cares...). Wichtiger wäre diesbezüglich die Frage, wie es eigentlich effektiv um die Rechte der Homosexuellen und der LGBT-Community allgemein steht. Also heute, im Jahre 2016.

Ähnlich wie die Flüchtlingskrise, die uns dunkle Abgründe in zahlreichen europäischen Gesellschaften – die Schweiz inbegriffen – offenbart hat, lässt nun auch Orlando das heimliche Unbehagen (wobei man bei gewissen Reaktionen schlicht von Schwulenhass sprechen muss) zahlreicher (Mit-)Menschen an die Oberfläche spülen. Da stellt sich natürlich die Frage, was uns denn Political Correctness eigentlich bringt, wenn sie nicht auch gelebt wird. Anscheinend haben wir uns darauf geeinigt, dass es nicht okay ist, Homosexuelle oder Menschen anderer Ethnien zu diskriminieren – was ja grundsätzlich gut ist –, aber dass wir im persönlichen Rahmen durchaus unser homo- und xenophobes Gedankengut noch ausleben können. Homosexualität wird also nur unter bestimmten Bedingungen akzeptiert. Das ist der tief-liegende Kern des Übels.

So ist Homosexualität für einen beachtlichen Teil der Gesellschaft im Privaten durchaus legitim, aber in der Öffentlichkeit unerwünscht. Das legt zumindest eine kürzlich durchgeführte Umfrage in Deutschland nahe, wobei 40 % der Befragten es als „ekelhaft“ (und wir sprechen hier nicht von „zwar nicht unbedingt zwingend meinem persönlichen Geschmack entsprechend“) empfinden würden, wenn sich Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssen. Ob die Umfragewerte in der Schweiz anders aussehen würden, wage ich zu bezweifeln; denn auch wir haben diesbezüglich ein Problem mit der wirklich gelebten Akzeptanz und verstecken uns hinter unserer Scheintoleranz.

Wie so häufig führt der effizienteste und tiefgreifendste Weg raus aus diesem Loch über die Bildung. Dafür müssten wir aber unser seltsames Verhältnis von Privatem und Öffentlichkeit beerdigen (das sich übrigens auch im Bereich der Ernährung oder des Reiseverhaltens zeigt, wo Leute immer noch das Gefühl haben, ihr Verhalten betreffe nur sie selbst), so dass wir dem Bildungssystem vermehrt erlauben sollten, auch wirklich Werte zu vermitteln (und ich spreche hier nicht von einer veralteten Auflistung christlicher Werten, die zumindest in schriftlicher Form praktisch identisch mit den im Westen verschmähten islamischen Werten sind) und die Jugendlichen nicht bloss zu Arbeitsmaschinen zu erziehen (wie im letzten Beitrag angedeutet: das Grundeinkommen ist noch nicht vom Tisch und wird uns auch in Zukunft noch beschäftigen).

So dass wir Homosexualität nicht als etwas Ungewöhnliches oberflächlich tolerieren, sondern es als das andere Ende eines Spektrums sehen (mit der Bisexualität in der Mitte), wo wir uns irgendwo verorten können und – ganz wichtig – jeder Positionierung auf dieser Skala dabei „normal“ und gleichwertig bleibt. So dass wir in einer Gesellschaft leben, in welcher es nicht bloss ein starres, binäres System der sexuellen Neigung gibt, sondern man sich „sexuell ganz dem eigenen/anderen Geschlecht angetan“ oder aber auch „heterosexuell mit leichten/deutlichen homosexuellen Tendenzen“ zuordnen kann. So dass man sich auch in der Geschlechterfrage aus den Fesseln dieses aus lediglich zwei Kategorien bestehenden Systems lösen kann und es erlaubt ist, „Mann mit weiblichen Attributen“ zu sein, ohne dadurch etwas über die eigene Sexualpräferenz auszusagen.

Leider sind wir von diesem Ziel einer aufgeklärten Gesellschaft noch weiter entfernt, als viele von uns gedacht haben. So könnte das einzig Positive an dieser amerikanischen Tragödie die Tatsache sein, dass wir in diesem Moment der Klarheit erkennen können, wo sich unsere Gesellschaft effektiv befindet. Die Tragödie als Weckruf, um wieder ein paar Schritte in unserer gesellschaftlichen Entwicklung vorwärts zu kommen. Schade nur, dass wir für solche gesellschaftlichen Fortschritte Klimakatastrophen, Attentate oder Flüchtlingskrisen brauchen. Schade auch, dass wir diese Ereignisse nicht richtig deuten und uns in vermeintlich sicheren (religiösen) Wertesystemen hinter vermeintlich sicheren Mauern zu verstecken versuchen. Deshalb braucht es den vertieften, reflektierten Blick. Den Blick dahinter.

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    SaoiAebi

    Lebenskünstler, Philosoph, Querdenker, Katzenfreund, Hobbykoch, Balkongärtner, Freelanceaktivist, Lehrer, Spirituosenliebhaber, Melancholiker, Musiker, Gesellschaftskritiker, Mensch, Lebewesen, Materie. Oder so.

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