SaoiAebi
  • The World Of
  • SaoiAebi
  • The World Of
  • SaoiAebi


SaoiAebi

Vote Or Die (Or Don't)

27/9/2015

0 Kommentare

 

Das Spannende an meinem Beruf als Lehrperson ist ja, dass ich viele der Dinge, die in der Welt abgehen, in einer kleineren Dimension im Klassenzimmer beobachten kann.

Auch die Politik findet so indirekt in den Unterricht. Ich spreche hier logischerweise nicht von Parteibesprechungen oder Analysen von KandidatInnen (was ich nur sehr bedingt objektiv machen könnte und auch wollte), sondern vom Abstimmungsverhalten. Ich gebe den SchülerInnen nämlich im Musikunterricht bei der Liederauswahl immer ein Mitbestimmungs- und Wahlrecht.

Zunächst können sie mal mitbestimmen, welche KandidatInnen (i.e. Songs) an die Wandtafel kommen (da haben sie jedoch nur ein Teil-Wahlrecht, da ich zuerst die Fähigkeit der KandidatInnen abschätzen muss und schliesslich nur die qualifiziertesten an die Wandtafel schreibe); worauf ein klassisches Abstimmungsverfahren folgt – ganz im Sinne unserer demokratischen Tradition.

Die Wahlbeteiligung in der Aula ist ziemlich hoch und wer sich nicht beteiligt, dem wird meistens (von den Schüler*innen selbst) eingebläut, wie wichtig wählen ist. Teilweise kommt es auch vor, dass ich ihnen anhand einer spezifischen Situation erklären kann, dass einzelne Stimmen tatsächlich eine Wahl entscheiden können. So sind am Schluss alle (mehr oder weniger vernünftigen) Anwesenden einverstanden, dass das Recht zu wählen eher eine Pflicht ist, welcher man nachkommen sollte – vielleicht nicht ganz so extrem, wie von der „Vote or Die“-Kampagne, die ein paar namhafte Musiker vor ungefähr einem Jahrzehnt mal gestartet hatten, gefordert wird, aber doch eben eine ziemlich wichtige Sache.

Nun ist die Angelegenheit mit dem Wählen jedoch etwas verzwickter: Denn manchmal ergeben sich im Unterricht seltsame Wahlergebnisse; wenn beispielsweise eine rebellische Knabenpartei durch gezieltes Lobbying die Ergebnisse so manipuliert, dass schlussendlich ein Kandidat gewählt wird, der eigentlich von niemandem wirklich gewählt werden wollte. Das hat damit zu tun, dass für diese Partei nicht das Resultat das Ziel ist, sondern die (Schaden)Freude am destruktiven Prozess.

(Auch hier funktioniert die Analogie übrigens: Denn auch im echten Politbetrieb gibt es "alternative Parteien" und "volksparteiliche Wähler*innen", welche lediglich als Opposition auftreten wollen, ohne tatsächlich Lösungen für die existierenden Probleme zu besitzen...)

Aber auch weniger hinterlistige Wahlverläufe kann man als Lehrperson beobachten: Die Übermacht von angesehenen Wählern, welche andere, meist unentschlossene Wähler mitziehen können, oder die ausbleibende Zusammenarbeit (und damit verbunden: fehlende Kompromissbereitschaft) mit anderen Parteien. Sogar Parteispaltungen kann man im Unterricht beobachten. Allerdings fusionieren diese Parteien in kurzer Zeit wieder – auch wenn die Diskussionen während oder nach den Wahlen teilweise an die Heftigkeit einer echten Parlamentsdebatte erinnern.

Jedenfalls sorgen solche und ähnliche Situationen dazu, dass man als Aussenstehender die Demokratie gelegentlich infrage stellen muss: Wäre es womöglich nicht sinnvoller, gewissen Leuten kein Stimmrecht zu geben, weil sie zu wenig reflektiert abstimmen, sich zu leicht beeinflussen lassen oder schier zu dumm für's Wählen sind?

Oder konkreter auf den Unterricht bezogen: Sollte man denjenigen Schüler*innen nicht eine stärkere (also bspw. doppelte) Stimme geben, von welchen man weiss, dass sie gut mitmachen und grundsätzlich auch mehr Freude am gewählten Song haben als diejenigen, die sowieso alle Wahloptionen gleichermassen lästig finden und per se boykottieren?

Und hinsichtlich der anstehenden kantonalen Wahlen und Abstimmungen: Kann es sein, dass gewisse Parteien mit einem massiv höheren Budget, mit perfiden Vereinfachungen von komplexen Themen, mit Schüren von Angst oder Hass, mit manipulativem Vorgehen oder mit vagen oder gar falschen Versprechen Wahlen dominieren und gewinnen können? Kann es sein, dass ein Professor für Politikwissenschaften die gleiche Stimme erhält wie jemand, der sich willkürlich für eine Partei entscheidet, weil er von übermässig vielen Wahlplakaten beeinflusst wird oder Kandidat*innen nach ihrem Äussern wählt? Kann es sein, dass ein Mittzwanziger das gleiche Stimmrecht hat wie ein Greis, obwohl der eine noch viel länger mit den Entscheidungen der Wahlen leben muss, während der andere, aller Voraussicht nach, sich nicht mehr gross mit der Zukunft der Menschheit befassen muss?

Eines liegt sicherlich auf der Hand: Die Demokratie ist keine perfekte Staatsform. Gäbe es unbestechliche, herzensgute, gebildete und gerechte Diktatoren, dann wäre vielleicht sogar eine Diktatur eine bessere Alternative. Da wir aber nicht auf so etwas zählen können und viele Personen in solchen Führungspositionen sich mit unlauteren Mitteln hochgearbeitet haben oder in andere korrupte oder zumindest unethische Machenschaften verwickelt sind, bleibt uns nur die Demokratie übrig, wo teilweise halt Gesetze angenommen werden, die so gar nicht sozial, nachhaltig oder gerecht sind (wie wir in der Geschichte der Schweizer Politik auch einige Beispiele finden).

Die Demokratie ist ein Kompromiss. Zwar den besten, den wir haben, aber gleichwohl ein Kompromiss. Und aus diesem Zugeständnis müssen wir das Beste machen, was in unserer Macht steht. Das bedeutet halt auch, dass wir uns informieren müssen (Smartvote, Umweltrating etc.), dass wir darüber diskutieren müssen, dass wir uns mit dem innenpolitischen und globalen Geschehen befassen müssen, und schliesslich eben auch: dass wir wählen gehen müssen. Denn wir haben jetzt die Möglichkeit etwas zu bewirken, die Welt (zumindest im Kleinen) zu verändern; bevor wir dann wieder vier Jahre warten müssen. Auch wenn wir uns am Schluss wohl mit einem Kompromiss zufrieden geben müssen; hoffentlich aber mit dem besten, den wir haben.

Aus diesem Grund bin ich heilfroh, dass die Konsequenzen und die Reichweite der Entscheidungen im Musikunterricht nicht gerade von beachtlichem Ausmass sind. Denn sollte in der Aula ein mühseliger und unvorteilhafter Kandidat ausgewählt worden sein, so ist dessen Amtszeit immerhin nach drei, vier Minuten vorbei, und es folgt jene (genauso kurze) eines anderen Kandidaten – und damit die Hoffnung, dass jene Wahl ein besserer Kompromiss war.

Bild
0 Kommentare

Die Notwendigkeit sich unbeliebt zu machen

20/9/2015

2 Kommentare

 

Das Foto unten zeigt die Verhaftung von Patrice Lumumba, erster Premierminister des unabhängigen Kongos. Seine Geschichte kurz zusammengefasst: Er machte sich stark für ein selbstbestimmtes, unabhängiges Afrika. Dies gefiel dem Westen (besonders dem ehemaligen kolonialen Herrscher Belgien und dessen Verbündeten, der USA) nicht. Geld floss. Es gab einen Putsch. Bald darauf war Lumumba tot.

Lumumba war nicht der einzige Politiker, der sich bei einigen (mächtigen) Leuten unbeliebt machte (siehe Martin Luther King und Co.). Ja, man könnte fast sagen, es liegt in der Natur eines Politikers, sich unbeliebt zu machen und Feinde zu schaffen. Wir sprechen hier allerdings nicht von der Art des peinlichen, rassistischen, hinterwäldlerischen [...] Unbeliebt-Machens, wie dies die SVP perfektioniert hat (wobei die SVP – global gesehen – mit Donald Trump einen ebenbürtigen Kontrahenten gekriegt hat).

Nein, es geht um reflektierte Unangepasstheit und darum, nicht danach zu streben „Everybody's Darling“ zu sein. Es geht um eine konsequente Linie und ebenso um gute, überzeugende Argumente.

Obwohl ich ja nicht Politiker bin (man erinnere sich an mein Versprechen in einem älteren Beitrag; allerdings habe ich dort lediglich gesagt, dass ich nie für das Präsidentenamt kandidieren werde; von Gemeinderat, Ständerat oder gar Bundesrat habe ich nichts erwähnt! Mach dich auf was gefasst, politische Welt!), komme auch ich immer wieder in Situationen, in welchen ich mich entscheiden muss; denn: Politik ist allgegenwärtig. Man kann sich ihr nicht entziehen. Man kann vielleicht so tun, als ob. Aber diese vorgeschobene Form des Unpolitischen ist auch bloss eine Form der Politik (dank welcher viele düstere Abschnitte in der Geschichte der Menschheit begünstigt wurden).

Jedenfalls gäbe es viele Themen, mit welchen ich hier anecken könnte, von welchen ich in der (Blog-)Vergangenheit auch schon Gebrauch gemacht habe: Ernährung, Modeindustrie, Mobilität oder menschliches Verhalten. Heute möchte ich jedoch auf etwas zu sprechen kommen, was garantiert zu Unbeliebtheit führt – trotz oder gerade wegen der Notwendigkeit des Themas.

Die Überbevölkerung des Planeten.

Obwohl jetzt schon das virtuelle Raunen losgeht, hier ein Fakt, den man zumindest mal nicht abstreiten kann: Man geht davon aus, dass die Erde momentan von knapp 7.3 Milliarden Menschen bevölkert wird. Noch vor 40 Jahren lebten auf demselben Planeten lediglich die Hälfte dieser stattlichen Zahl.

Diesen rasanten Anstieg nehmen wir in dieser Dimension eigentlich kaum wahr (es darf bezweifelt werden, ob der „Dichtestress“ in den „Grossstädten“ der Schweiz ein Symptom dieses Bevölkerungszuwachses ist); man kann ihn jedoch erahnen, wenn man vom Lokalen auf das Globale schliesst. In der Schweiz sind vielleicht immer mehr überbaute Wiesen und Brachland ein Indiz dafür. Doch in anderen Ländern breitet sich der Mensch augenscheinlicher aus (Regenwaldabholzung etc.) und zerstört damit die Lebensräume anderer Lebewesen.

Wären hingegen jene verdrängten Lebewesen diejenigen, die sich massiv ausbreiten würden, wäre der Mensch schnell zur Stelle und würde deren Zahl dezimieren (genug Waffenliebhaber gibt es ja nicht nur in der USA). Selbst Wesen, die sich wahrlich kaum gross ausbreiten – aktuelles Beispiel ist mal wieder der Wolf in der Schweiz –, werden praktisch keinen Lebensraum zugestanden. Einzig allein dem Mensch gilt das Recht auf unbeschränkte Ausbreitung (wobei dies auch nicht ganz stimmt, denn schliesslich schliessen wir [Europäer] ja auch die Grenzen, wenn sich „Flüchtlinge“ [also Menschen] auf unser Territorium zubewegen).

Ich frage mich, wieso dem so ist? Schliesslich ist der Mensch der zerstörerischste Organismus auf dem Planeten. Und besonders die Menschen aus privilegierteren Ländern haben einen so gigantischen Fussabdruck, dass ich es für zynisch halte, wenn Leute argumentieren, die Tragfähigkeit der Erde sei noch nicht ausgeschöpft. Würde man uns als Richtgrösse nehmen, wäre die Erde mitsamt ihren zwei Geschwister-Planeten schon vollkommen geplündert und ausgebeutet worden.

Natürlich könnte man alle Bewohner der Erde ernähren, würden wir anstelle von Fleisch mehr Getreide und Gemüse zu uns nehmen, würden wir das Land in Entwicklungsländer nicht für unsere Bedürfnisse pachten, würden wir nachhaltiger mit den natürlichen Ressourcen umgehen. Das wären sogar sehr sinnvolle (und notwendige) Eingeständnisse.

Es wird aber häufig auch argumentiert, dass wir generell noch mehr Platz auf der Erde einnehmen könnten, was wiederum eine nicht sehr solidarische Alternative wäre, da dies auf Kosten der Natur geschieht.

Ausserdem: Nur weil etwas theoretisch möglich wäre, heisst das nicht, dass es auch erstrebenswert ist. Die Erde würde ziemlich sicher auch weiterhin existieren, wenn wir weitere Teile des immer stärker schrumpfenden Urwalds roden würden oder wenn durch die globale Erwärmung das Polareis schmelzen würde. Doch wir sollten nicht eine Situation anstreben, in welcher wir nur mit viel Geschick ein Unheil verhindern können. Wir sollten uns stattdessen zum Ziel setzen, aus dieser kritischen Situation herauszukommen.

Eine Möglichkeit – neben den oben bereits erwähnten Eingeständnissen – wäre eben auch den Bevölkerungswachstum zu reduzieren. Und hier lauert auch die potentielle Unbeliebtheitsfalle. Denn es stellt sich nun die Frage, wie so etwas konkret realisierbar wäre...

Vielleicht müsste man dafür sorgen, dass es wenig Anreize gibt, um mehr als zwei Kinder zu kriegen (denn mit einer durchschnittlichen Zahl von 2.1 Kindern, würde man die Weltbevölkerung immerhin konstant halten). Da fallen die Kritiker aber meist mit Vergleichen zur missglückten Ein-Kind-Politik von China über einen her. Fehlgeschlagen ist diese Politik aber aus zahlreichen Gründen, unter anderem weil sie neue soziale Probleme ausgelöst hatte, weil der Begriff des Einzelkinds sowieso sehr stark stigmatisiert ist und weil China auch relativ rigide eingegriffen hat.

Allerdings sind die Zahlen in vielen Ländern sowieso rückläufig; der Anreiz zum Kinder kriegen wird also sowieso nicht so gross sein. Wieso wächst also die Population dennoch unablässig weiter?

Einerseits habe ich das Gefühl, dass wir Wachstum immer noch zu wenig kritisch gegenüberstehen. Denn Wachstum bedeutet meistens auch, dass dies auf Kosten von jemand anderem geschieht. Wirtschaftswachstum in Europa oder Amerika bedeutet häufig leider auch Armut und Ausbeutung von Entwicklungsländern (weshalb sich Lumumba verständlicherweise ja auch gegen den Westen aufgelehnt hatte). Deshalb sollten wir uns mal grundsätzlich überlegen, ob Wachstum – egal ob im Bereich der Wirtschaft oder der Bevölkerung – so erstrebenswert ist.

Es gibt aber logischerweise noch weitere Faktoren, die die Reduzierung der Bevölkerung benachteiligen, beispielsweise mangelhafte Aufklärung, fehlende oder gar verbotene Verhütungsmethoden (Religion sei dank!) und natürlich „Egoismus“ (etwas überspitzt ausgedrückt). Wie bei der Nahrung wird es wohl viele Leute geben, die (vor allem im Bereich der Familienplanung nicht zu Unrecht) der Meinung sind, dass dies eine persönliche Entscheidung ist. Doch wie die Ernährung hat auch das Kinderkriegen eine politische Dimension – und nicht nur in China, wo dies ganz offensichtlich ist.

Zahlreichen Menschen ist dies ja auch bewusst, weshalb besonders gebildete Leute sich schwer tun mit diesem Thema, und Vor- und Nachteile akkurat abwiegen. Dies wird sehr amüsant in den ersten paar Minuten des Films „Idiocracy“ dargestellt, wo das gut ausgebildete Paar stets zum Schluss kommt, dass der Zeitpunkt, um ein Kind in die Welt zu setzen, noch nicht reif ist; während sich das Paar aus der niedrigeren Bildungsschicht fortwährend fortpflanzt.

Nun könnte man argumentieren, dass Sterilisierung das Unglück (im Fall des Regisseurs Mike Judge: die absolute Verdummung der Menschheit) verhindern könnte, doch wäre dies logischerweise nicht sehr human.


Vielleicht wäre jedoch eine menschenwürdigere Alternative zur Sterilisierung eine Einführung einer Art Fähigkeitsprüfung um Kinder zu kriegen. Immerhin verlangt man heute von Hundebesitzern ja auch dergleichen. Warum also bei Kindern nicht, wo man noch viel mehr falsch machen kann als bei einem Haustier?

Ist das die Lösung?



Je länger man sich mit dem nicht unwichtigen Thema der Überbevölkerung befasst, desto fremder und absurder klingen irgendwann die eigenen Worte und man entlarvt bei sich selbst Charakterzüge, die über eine gesunde Portion von Misanthropie hinausgehen. Und mit diesem Gefühl von aufkeimender Resignation steigt auch die Abneigung gegenüber der Notwendigkeit sich unbeliebt zu machen, und die Sehnsucht danach, immer schön artig zu lächeln, niemandem zu nahe zu treten und „Everybody's Darling“ zu sein.

Ja, in diesem flüchtigen, schwachen Moment fühlt man sich sogar der SVP und Donald Trump nah.

Doch dann sollte man sich wieder daran erinnern, wieso man eigentlich für etwas einsteht und dass schon nur eine Diskussion – auch wenn sich daraus keine umsetzbaren Lösungsansätze ergeben – sehr wichtig ist und ein gesellschaftliches Umdenken ankurbeln kann.

Die Faulheit, die uns abhält, den anstrengenderen Weg zu gehen, und die Angst, mit Gegenkritik überhäuft zu werden, sollte bei der Entscheidung nicht ausschlaggebend sein. Zumal wir in einer westlichen Gesellschaft leben, in welcher wir uns höchstens unbeliebt machen können, wo man uns jedoch für unsere Meinungsfreiheit nicht gleich einsperren oder erschiessen kann.

Wobei man sich natürlich fragen kann, ob es in solchen Situationen nicht gerade umso wichtiger wäre, sich unbeliebt zu machen.

Lumumba hat sich sehr unbeliebt gemacht. Er bezahlte dafür mit dem Leben. In einem anderen Umfeld wäre er hingegen womöglich ein sehr beliebter und vorbildlicher Politiker geworden, der sich neben einigen Feinden auch zahlreiche Freunde gemacht hätte. Ich hätte ihn jedenfalls gewählt.

Bild
2 Kommentare

We Love Germany

13/9/2015

0 Kommentare

 

Nachdem ich in den letzten Wochen vorwiegend kritische Texte zu eher tristeren Themen verfasst habe, wäre doch heute mal ein optimistischerer und positiverer Text angebracht.

Klar, wir haben alle die Bilder gesehen und die Berichte gelesen: Einige unbelehrbare Rabauken aus (Ost)Deutschland wehren sich gegen die Flüchtlingswelle und verbreiten ihr braunes Gedankengut mit Gewalt gegen Flüchtlinge und deren freiwillige Helfer.

Aber in den letzten Tagen las man auch häufiger vom empathischen Deutschland, das sich seiner Verantwortung als europäische Wirtschaftsmacht stellt und diese vorbildlich, ja beinahe übermotiviert annimmt. Seinen Anfang genommen hat dies mit sozialkritischen Aussagen einiger Prominenten, welche man bisher eher unpolitisch wahrgenommen hat. Den vorläufigen Höhepunkt geht jedoch auf das Konto der Kanzlerin. Wenn Angela Merkel nämlich bestimmt, noch mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als Deutschland sowieso schon untergebracht hat, dann kann man vor dieser Geste (und hoffentlich auch der Tat) nur seinen Hut ziehen – zumal sich viele andere Länder wie die zögerlich, bünzlige Schweiz oder das ultrarechte Ungarn unter dem Führer äh Regierungschef Orban (fucking shame on you!) vor ihrer Verantwortung drücken.

Doch nicht nur deshalb ist Deutschland schleichend zu unserem sympathischen Nachbarn geworden. An der letzten WM in Brasilien spielten sich die Deutschen mit ihrem unbeschwerten Fussball in viele nicht-deutsche Herzen; auch wenn man sich in der Schweiz immer noch lustig über sie machte und diese heimliche Zuneigung natürlich nie zugeben würde.

Wenn man Deutschland ein bisschen genauer anschaut, kann man unserem grossen Nachbarn noch viele weitere positive Seiten abgewinnen. Wer sich zum Beispiel mit fair produzierter Kleidung befasst (siehe: http://saoiaebi.weebly.com/the-world-of/fuck-converse)
, wird feststellen, dass viele solcher Unternehmen in Deutschland gegründet wurden (ArmedAngels, Bleed, Ethletic, Glore, Greenality etc.), und man diesen oder ähnlichen Marken respektive Läden in grösseren Städten wie Berlin, Hamburg oder München relativ häufig über den Weg läuft; zumindest vergleichsweise mit anderen Nachbarländern wie Frankreich oder Italien, die wenig Innovationskraft zeigen.

Sowieso findet man in Deutschland einige einfallsreiche Ideen, die bei uns erst mit der Zeit durchsickern, sei dies verpackungsfreie Einkaufsmärkte wie "Original Unverpackt" (bei uns leider noch kein Thema) oder Urban Farming (auch wenn dies ja keine deutsche Erfindung ist). Dazu gesellen sich zahlreiche kleinere Boutiquen mit kreativen Designideen – ganz zu schweigen von den vielen kulinarischen Entdeckungsmöglichkeiten, insbesondere im Bereich der vegetarischen oder veganen Verpflegung.

Schliesslich sind die Deutschen selbst auch ihrem Ruf als unterkühltes und nörglerisches Volk enteilt. Vielmehr erfreut man sich an der Offenheit und Lockerheit unzähliger Teutonen. Zusammen mit der Gastfreundlichkeit und dem Verantwortungsbewusstsein, welches Deutschland eben auch in den letzten Wochen an den Tag legte, können wir doch von einem ziemlich vorbildlichen Nachbarn sprechen.

Aus diesem Grund hebe ich freundschaftlich mein Glas (jedoch keinen Humpen; denn nach oder während des Oktoberfests – wenngleich logischerweise nicht ausschliesslich von Deutschen besucht – müsste ich wohl die eine oder andere gute Eigenschaft überdenken...) zu einem Toast und sage: Prosit, lieber Nachbar, liebe Nachbarin! Mögest du dich auch bei uns zu Hause fühlen! Und ihr globalen Nachbarn (egal ob von Syrien, Eritrea oder wo auch immer) natürlich auch!




Kleiner Nachtrag: Die Tatsache, dass München gestern Abend die Grenze vorübergehend dicht gemacht hat, zeigt nicht - wie gewisse Leute jetzt argumentieren - dass Deutschland doch nicht so ein Musternachbar ist, sondern dass diese Flüchtlingskrise nicht von einem Land alleine gelöst werden kann, und dass wir alle mit anpacken müssen!

Bild
0 Kommentare
<<Zurück

    SaoiAebi

    Lebenskünstler, Philosoph, Hobbykoch, Balkongärtner, Freelanceaktivist, Lehrer, Katzen- und Tierfreund, Spirituosenliebhaber, Melancholiker, Musiker, Gesellschaftskritiker, Mensch, Lebewesen, Materie. Oder so.

    Bild
    Archives

    Mai 2022
    • Der Preis von Schnell
    März 2022
    • Das Haar am Flügelrad
    Dezember 2021
    • Mein letzter Wille.
    Oktober 2021
    • "Ich weiss es nicht" - Die Tugend des Nicht-Wissens
    August 2021
    • Klimasünder Katze? Der ökologische Pfotenabdruck​
    Juni 2021
    • Der ewige Fleck
    Mai 2021
    • Das Internet vergisst (nie)
    März 2021
    • Die Erste Liebe (Eine Traum-Kurzgeschichte)
    Februar 2021
    • Der Preis von Billig
     Januar 2021
    • The Music Is Dying, Long Live The Music!
    November 2020
    • Quittenkuchen - Ein herbstliches Anti-Foodwaste-Rezept
    Oktober 2020
    • #GlockenNachtruhe - Petition für einen erholsamen Schlaf
    September 2020
    • Der ungleiche Kampf gegen den Wolf, Familienväter und Kampfjets (#abst20)
    August 2020
    • Xenophobe Provokation statt ernsthafter Diskurs über Integration
    Juli 2020
    • "Als Einzelperson kannst du eh nichts bewirken!" (FB-Kommentar)
    Juni 2020
    • Über Schokoküsse, Statuen & alte Filme - Wie die Rassismus-Debatte unsere Gesellschaft spaltet
    Mai 2020
    • Wie Corona mich zum Gamer machte...
    April 2020
    • Zucchetti-Orangen-Kuchen
    März 2020
    • Bärlauchpesto mit Hanfsamen
    • Veganaut in... Brighton (Youtube)
    Februar 2020
    • Veganaut in... London (Youtube)
    • Die Prinzessin und das Einhorn (ein modernes, veganes Märchen)
    Januar 2020
    • Sexy Vegans - Wie Netflix die vegane Bewegung beeinflusst
    Dezember 2019
    • Vegane Hähnchen-Filets mit Couscous
    • Eine Ode an das Joggen
    November 2019
    • #McVGN - Einreichung der Petition
    • Kaki-Safran-Lassi
    Oktober 2019
    • 28 konkrete Tipps gegen den Klimawandel (Youtube)
    • #MakeTheMensaGreenAgain (Petition)
    • WahlPlakatDschungel - Vandalismus oder Plakatverschönerung?
    September 2019
    • Der Rebound-Effekt - Wie aus Gutem Schlechtes wird
    August 2019
    • #McVGN (Online Petition)
    Juli 2019
    • Navratan Korma mit Garlic Naan Brot
    • Generation Weltschmerz
    Juni 2019
    • Zum Stand der Dinge #2 - Za Zaa Vegan
    • Der graue Klick - Über die Klimabilanz von Streaming & Co.
    Mai 2019
    • Gebackene Aubergine mit Chermoula und Polenta
    • Orangen-Thymian-Cheesecake
    April 2019
    • Die Abstraktion der Gewalt
    März 2019
    • Tinder Activism
    • #NachhaltigAir - Einreichung der Petition
    Februar 2019
    • Prinz Herzensgut - Ein veganes Märchen
    • Kill The Heroes!
    • Berlin Pt. II – Friedrichshain (Gastbeitrag Veganaut)
    Januar 2019
    • Der Kampf um das Wissen
    Dezember 2018
    • The Activism Of Being Nice
    • Marroni Schoko Küchlein (vegan)
    • #GepflegterDisstrack - Collection (FB)
    November 2018
    • I Had A Dream (Odyssey, Peace & Closure)
    Oktober 2018
    • #NachhaltigAir
      (Online Petition)
    September 2018
    • Kurzer Nachtrag zum "Stand der Dinge"
    • Zum Stand der Dinge #1 - Gingi
    • Dein Feind, der Plastikstrohhalm
    August 2018
    • Lob der Disziplin
    • Berlin - Die Vegane Hauptstadt Europas (Gastbeitrag Veganaut)
    Juli 2018
    • Der weisse Zipfel Spaniens
    Juni 2018
    • Der Hafen (eine Kurzgeschichte über die Liebe)
    • Keine Kinder sind auch eine Option (Pt. II)
    Mai 2018
    • Keine Kinder sind auch eine Option (Pt. I)
    • La Dolce Vita Vegana (Gastbeitrag Veganaut)
    • Lost Bug - Almost Blue
    April 2018
    • V-Pops - Die leckere Eis-Alternative
    • Kommentar zur Lebenserwartung von Nutztieren (FB)
    • Nieder mit der Pyramide!
    März 2018
    • Himbeer-Zitronen-Cheesecake (vegan)
    • Der Ruf nach dem Stuhl
    Februar 2018
    • 11'000 Becher veganes Eis (Gastbeitrag Veganaut)
    • NoFurX Fotoshooting
    • Das Märchen vom klugen Pilz
    • Fünf vegane Rezepte (Vegan Challenge 2018)
    Januar 2018
    • What about Whataboutism?
    • DER META-POST
      (Was bisher geschah...)
    Dezember 2017
    • Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen - und dann irgendwann der Aktivismus
    November 2017
    • NoFurX (Official Video)
    • Wo sind die Aromen?
    Oktober 2017
    • #NoFurX
      (Online Petition)
    • Die Omertà der Erziehung (Gastbeitrag Blaufux)
    • Die ganz alltägliche Paranoia
    September 2017
    • Über Kampfjets, Drachen und blaue Vögel
    • Vegan Space Cakes
    August 2017
    • Untitled / Fuck Pornos II
    • Vegansk i København (Gastbeitrag Veganaut)
    Juli 2017
    • The Art Of Vegan Grilling
    Juni 2017
    • Wieso muss sich immer alles um Veganismus drehen?!
    • III. Der etwas andere WK
    • II. Nachwort
    • I. Das Faktum des Gebrotes
    Mai 2017
    • Unbeeindruckt!
    • Fair Fashion Revolution
    April 2017
    • Queen Save The Cod! (Gastbeitrag Veganaut)
    • Das Erdogan Dilemma
    • Copenhagenisation
    März 2017
    • Aquafaba Schoggimousse
    • Der Reset Button
    • Die Sache mit dem persönlichen Entscheid
    Februar 2017
    • Positive Trolling
    • Dear India
    Januar 2017
    • Missionsstrasse
    • Vorsatzlos glücklich?
    Dezember 2016
    • Flugentzug
    • Besser als Filet im Teig
    • P*lz
    November 2016
    • Die Post-Facebook-Generation
    • Trump Vodka
    Oktober 2016
    • UBS ⇒ ABS
    • Wild ohne Wild
    September 2016
    • Recycling Ärger
      (Online Petition)
    • Endlose Parteitreue
    • Bildung auf Sparflamme
    August 2016
    • Fuck Pornos
    • Der Retro Aktivist
    Juli 2016
    • Popkultur To GO
    • In einer konservativen Glockenwelt
    Juni 2016
    • Wer mit dem Feuer spielt
    • Dahinter blicken
    • Bedingungsloses Schweigen
    Mai 2016
    • Muckistrom
    • Die ewigen Leiden des Christoph B.
    April 2016
    • Der Preis der Umstel- lung / des Luxus
    • Alles eine Frage der Normalität
    März 2016
    • Im WM-Fieber
    Februar 2016
    • Vor den Wahlen ist nach den Wahlen
    • Die 2 %-Bewegung(en)
    Januar 2016
    • Totale Durchsetzung - Dritter Akt & Epilog
    • Totale Durchsetzung - Zweiter Akt
    • Totale Durchsetzung - Erster Akt
    • Alles beim Alten
    Dezember 2015
    • Klimaziel-Hoffnung (#dennichhandle)
    November 2015
    • Klimaziel-Resignation
    • Die Macht der Worte
    • #ForParis
    • Das Fremde wählen - Topinambur-Bratlinge
    Oktober 2015
    • Das Fremde wählen
    • In was für einer Welt leben wir eigentlich?
    September 2015
    • Vote Or Die (Or Don't)
    • Die Notwendigkeit sich unbeliebt zu machen
    • We Love Germany
    • Generation Easyjet
    August 2015
    • Konsequenz, die (f)
    • Das Versprechen
    • Fuck Converse!
Proudly powered by Weebly